DER WEIHNACHTSKUCHEN

Es war kurz vor Morgengrauen, als viele Millionen Schneeflocken erschienen, um sich ein Bild von der noch schlafenden Stadt zu machen. Die langsam zur Erde rieselnden Flocken bedeckten die Häuser wie eine weiche Decke und es schien, als wollte der dichte Schnee die Landschaft mit einem unendlichen Vorhang bedecken. Sogar die Straßenlaternen hatten keine Lust zu leuchten und schliefen. Bestimmt waren sie der Meinung, dass jeder sich einmal eine Ruhepause verdient hatte.

Nur der wirbelnde, kalte Wind tanzte in der Dunkelheit mit den frischen Schneesternen. Hin und her trug er die Schneehügelchen, ließ sie dann neckisch vor den Haustüren liegen, um sich elegant in Richtung des geschmückten Kirchenturms davonzustehlen.

Der hohe, spitze und mit bunten Ziegeln bedeckte Turm ragte respekteinflößend über der Stadt empor. Er beherbergte sechs Glocken und eine kleine, flauschige Meise. Der winzige Vogel schlief gerade auf einem Holzbalken.

Plötzlich fuhr der kalte Winterwind zwischen die Glocken und riss das träumende Tierchen vom Balken herunter. Die kleine Meise wurde jäh aus ihrem Schlaf gerissen. Weit fiel sie jedoch nicht, denn mit einem lauten "Klong!" landete das Vögelchen auf einer der Glocken. Diese begann zu läuten. Dabei rutschte das kleine Federtier herunter und fiel weiter, landete aber zum Glück auf einem weichen Sack, der auf dem Boden lag. Arme kleine Meise! Ihr taten alle Knochen in ihrem kleinen Körper weh und vor Schreck traute sie sich eine Weile lang nicht, sich zu bewegen.

Das Vögelchen starrte in Gedanken versunken auf die Glocken, seufzte dann laut und dachte: "Was gäbe ich jetzt für ein leckeres Frühstück! Bei wem könnte man wohl zu dieser frühen Stunde einkehren und um einige Krümel bitten? Um diese Zeit schlafen doch noch alle!"

Die Stadtbewohner, die sich allesamt noch im Land der Träume befanden, konnten Weihnachten kaum erwarten. Nur einer freute sich nicht so sehr auf Heiligabend. Peter Wühlmaus lag wach in seinem Bett. Er konnte einfach nicht schlafen. Er war aufgeregt und ungeduldig. Seine Decke rutschte beinahe von seinem Bett, was er mit einem wütenden Schnauben kommentierte. "Was für eine kalte Nacht!", dachte Peter zitternd. Er zog die kleine Daunendecke wieder über sich und zwar so, dass selbst seine winzige Nase kaum noch darunter hervorschaute.

Plötzlich hörte er Lärm. Draußen schaukelten die Äste schläfrig im Wind und klopften an das große Fenster. "Als würde jemand da draußen sein", dachte Peter bei sich. Das geheimnisvolle Licht des Mondes ließ die dunklen Schatten der im Wind wippenden Äste an der Zimmerwand entlangtanzen. Auf einmal läutete eine der Glocken der Kirche erschreckend laut. Peter grübelte vor sich hin, wer wohl um diese Zeit die Glocken läutete. Er kletterte aus dem Bett und schlich sich zum Fenster.